Sonderthema: Tag der NVA vom 01.03.2018

Quelle: sputniknews

de.sputniknews.com: Stärker als die Nato und angriffslustig? Sputnik räumt mit Mythen über DDR-Armee auf
Die Nationale Volksarmee wäre heute 62 Jahre alt geworden. Die Streitkräfte der DDR existieren seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr, doch Legenden leben weiter. Die einstige Vorhut des Warschauer Pakts wird heute gern als aggressiv dargestellt, die Nato hingegen als friedfertig. Sputnik versucht zu klären, was davon Mythos und was Wahrheit ist.
War die NVA wirklich eine Parteiarmee? Hatte sie wirklich Angriffspläne gegen die Bundesrepublik? Setzte die Nato wirklich nur auf Defensive? Was wurde aus den Tausenden Panzern, Flugzeugen und Raketen der NVA nach der Wende? Was wurde aus den Zehntausenden ihrer Kader? Wie wurden die NVA-Angehörigen durch die Bundeswehr behandelt? Warum hat sich die Mehrheit von ihnen der Übernahme durch die „Armee der Einheit“ verweigert? Waren die Übernahmebedingungen menschenwürdig?
Auf der Suche nach Antworten hat sich Sputnik mit dem Verband zur Pflege der Traditionen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR e.V. (kurz: VTNVAGT) in Verbindung gesetzt. Der stellvertretende Vorstandschef, Oberst a.D. Friedemann Munkelt, und der Leiter der Geschäftsstelle, Kapitän zur See a.D. Gerhard Matthes, stellen die Sicht ihres Verbandes auf die Rolle der NVA im damaligen Europa vor und helfen, mit verbreiteten Irrtümern aufzuräumen.
Friedemann Munkelt
Oberst a.D., Diplom-Militärwissenschaftler, Stellvertreter des Verbandsvorsitzenden, geboren 1945 in Ebersbach. Nach Abschluss bei der Offiziersschule der Landstreitkräfte in Löbau nahm er bei der NVA mehrere Positionen ein: vom Panzerzugführer bis zum Stellvertreter des CPV des Militärbezirks III in Leipzig.
Gerhard Matthes
Kapitän zur See a.D., Leiter der Geschäftsstelle des Verbandes, geboren 1936 in Alt-Cüstrinchen. Nach Abschluss bei der Seeoffiziersschule Stralsund war er unter anderem Gruppenchef in der 6. U-Jagd- bzw. 4. Räumbootsabteilung. Zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus dem aktiven Dienst im Dezember 1990 war er stellvertretender Chef des Hauptstabes der Volksmarine für operative Fragen.
Die NVA wurde zeitlich nach der Bundeswehr gegründet. Wahr oder falsch?
Die Nationale Volksarmee wurde Anfang 1956 und damit zeitlich nach der Bundeswehr, die schon im November 1955 entstanden war, aus der kasernierten Volkspolizei gebildet. Formalrechtlich erfolgte die Gründung der NVA am 18. Januar 1956 per „Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung“. Die Aufstellung wurde bis zum März vollendet, weshalb der 1. März ab 1957 als Ehrentag der NVA gefeiert wurde.
Armee ohne Wehrpflicht
Die allgemeine Wehrpflicht wurde in der DDR erst 1962, sechs Jahre nach Gründung der Nationalen Volksarmee, eingeführt. Bis dahin war die NVA eine Freiwilligenarmee. Ab 1962 wurden alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren für 18 Monate zum Grundwehrdienst eingezogen.
Die NVA war nie in einen Krieg verwickelt. Wahr oder falsch?
Die Nationale Volksarmee war tatsächlich nie an einem militärischen Konflikt beteiligt, hat jedoch den Streitkräften mehrerer Staaten geholfen.
Der VTNVAGT erläutert: „Zur Unterstützung der Streitkräfte einiger befreundeter junger Nationalstaaten (Afrika, arabische Staaten, Vietnam, Kuba u.a.) bildete die Nationale Volksarmee an der Offiziershochschule für ausländische Militärkader ‚Otto Winzer‘ und an der Offiziershochschule der Volksmarine Offiziere und Unteroffiziere aus. Ebenso wurde für diese Länder materielle und technische Hilfe unterschiedlicher Art gewährt.“
Die NVA war nach sowjetischem Vorbild aufgebaut. Wahr oder falsch?
Die NVA war tatsächlich von Anfang an als Koalitionsarmee und kompatibel zur Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) konzipiert.
Unmittelbar nachdem die Volkskammer im Januar 1956 das Gesetz zur Schaffung der NVA beschlossen hatte, stellte die DDR den Antrag, die Nationale Volksarmee nach Aufstellung in den Bestand der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages einzugliedern. Struktur und Stärke, Bewaffnung und Ausrüstung, Dislozierung und Sicherstellung sowie die Aufgaben im Verteidigungszustand wurden mit dem Stab der Vereinten Streitkräfte und den Generalstab der Streitkräfte der UdSSR abgestimmt.
Der VTNVAGT bestätigt: „Die Struktur und Stärke, Bewaffnung und Ausrüstung, Dislozierung und Sicherstellung waren entsprechend den Aufgaben im Verteidigungszustand, d.h. im Bestand der Westfront (GSSD) zu handeln, ausgerichtet.“
Es sollte keinen Unterschied zwischen einer Division der GSSD und einer der NVA geben. Zwischen den 11 Divisionen (sechs Divisionen der ständigen Gefechtsbereitschaft, fünf Mob.-Divisionen) der Landstreitkräfte der NVA gab es deshalb auf den Gebieten Struktur, Bewaffnung, Ausrüstung und Kampftechnik, Ausbildung, Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft mit den Divisionen der GSSD große Übereinstimmung.
Weiterbildung in der UdSSR
Damit die Generale, Admirale und Offiziere der NVA befähigt waren, ihre Aufgaben im Koalitionsbestand in den Vereinten Streitkräften des Warschauer Vertrages zu erfüllen, haben 13.474 Offiziere, Generale und Admirale sowjetische Militärakademien besucht. 385 absolvierten die Akademie des Generalstabes der Streitkräfte der UdSSR.
Die NVA war die zweitstärkste Armee in Osteuropa nach der Sowjetarmee. Wahr oder falsch?
Zahlenmäßig waren die Polnische Armee und die Tschechoslowakische Volksarmee allemal stärker. Doch der Vorteil der NVA lag offenbar in der Ausstattung, Bewaffnung und Kampftechnik sowie in der Ausbildung und Führung. Ob sie dadurch auch die zweitstärkste Streitkraft des Warschauer Vertrages war, lässt sich so eindeutig nicht beurteilen: Schließlich gab es für alle Streitkräfte der Organisation einheitliche Anforderungen an die Gefechtsbereitschaft.
Der „Eisbrecher“ des Warschauer Vertrages
Nach Einschätzung des VTNVAGT waren die DDR und die NVA in den 35 Jahren des Bestehens des Warschauer Vertrages immer ein zuverlässiger und berechenbarer Partner.
„Im Bündnis des Warschauer Vertrages hat sich die mit modernster sowjetischer und eigener Militärtechnik ausgestattete Nationale Volksarmee zu einer gut ausgebildeten, stets einsatzbereiten und schlagkräftigen Streitkraft entwickelt, die durch hohe Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft einen anerkannten Beitrag zur Gewährleistung des militärstrategischen Gleichgewichts leistete.“
Kein anderes Land des Warschauer Vertrages hatte so vielfältige und umfangreiche Aufgaben zu erfüllen wie die DDR
Oberst a.D. Friedemann Munkelt und Kapitän zur See a.D. Gerhard Matthes kommentieren:
„Feststellen können wir für die NVA auf jeden Fall, dass wir diesen Anforderungen auf einem hohen Niveau gerecht wurden und im Verlaufe von Manövern und Kommandostabsübungen hohe Bewertungen des Vereinten Kommandos bekamen. Wenn uns ehemalige sowjetische Heerführer als zweitstärkste Streitkraft des Warschauer Vertrages einschätzen, ist das eine hohe Würdigung der Leistungen aller Armeeangehörigen und Zivilbeschäftigten der NVA, die mit großer Einsatzbereitschaft die gestellten Aufgaben erfüllten.“
Der sowjetische Armeegeneral Anatoli Gribkow (von 1976 bis 1989 Stabschef des Warschauer Paktes) schrieb in seinem Buch „Der Warschauer Pakt“:
„Es war angenehm, mit den deutschen Generalen Hoffmann, Keßler und Streletz zusammenzuarbeiten. Sie bereiteten begründete Vorschläge zu den Fragen vor, die mit dem Oberkommandierenden und dem Stabschef der Vereinten Streitkräfte erörtert werden sollten. Die führende Rolle im Verteidigungsministerium der DDR spielte der Hauptstab unter Leitung von Generaloberst Streletz, der seine Gesprächspartner auf Anhieb verstand, seine Gedanken kurz, klar und überzeugend darlegte und ein vortrefflicher Organisator war. Bei der Vorbereitung und Durchführung von geplanten Maßnahmen des Vereinten Kommandos auf dem Territorium der DDR bereitete Streletz alles bis ins Detail vor, so dass die gestellten Aufgaben vollständig und mit guten Ergebnissen erfüllt wurden.“
Der VTNVAGT resümiert: „Was die Vorbildrolle der NVA im Warschauer Vertrag angeht, so spielten wir im Kalkül der sowjetischen Partei-, Staats- und Armeeführung manchmal die Rolle des Eisbrechers oder der Vorhut beim Ringen um die Durchsetzung neuer oder ungewohnter Schritte zur Erhöhung der Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft.“
Die Landstreitkräfte waren die stärkste und die kampffähigste Teilstreitkraft der NVA. Wahr oder falsch?
Mit 108.000 Mann waren die Landstreitkräfte tatsächlich die zahlenmäßig stärkste Teilstreitkraft der NVA. Aber:
„Die Kampffähigkeit der Landstreitkräfte unterliegt keiner gesonderten Bewertung, sie ergab sich aus dem Zusammenwirken aller Teilstreitkräfte, und unter Berücksichtigung der Grenze zwischen Warschauer Vertrag und NATO, mit den Grenztruppen der DDR. Hinzu kommt, dass ein Handeln unter Gefechtsbedingungen nur im Koalitionsbestand vorgesehen war.“
Struktur und Waffenbestand
Die Landstreitkräfte waren untergliedert in ein Kommando der Landstreitkräfte mit direkt unterstellten Verbänden, Truppenteilen und Einrichtungen, zwei Militärbezirke (Armeekommandos) mit Verbänden und Truppenteilen des Armeekomplexes (je eine Brigade operativ-taktischer Raketen, Artillerieregiment, Panzerjägerregiment, Fla-Raketenregiment u.a.), jeweils zwei Motorisierten Schützendivisionen und einer Panzerdivision sowie zwei bzw. drei Mobilmachungsdivisionen.
Die NVA hatte „Eroberungspläne“ gegen den Westen. Wahr oder falsch?
Im Warschauer Pakt sei nur die Offensive geübt worden; die NVA hätte die Bundesrepublik in einer Woche bis zur niederländischen Grenze erobern können, sagte der pensionierte Bundeswehr-General Hanno von Kielmannsegg in einem Interview im Jahre 2013.
Für ehemalige NVA-Führungskader sind diese Behauptungen weder seriös, noch haben sie angesichts der auf dem Territorium der beiden deutschen Staaten stationierten Kräfte der NATO und des Warschauer Vertrages einen realen militärischen Hintergrund:
„Die Nationale Volksarmee wurde nicht geschaffen, um die BRD oder ein anderes Land zu erobern, sondern um unter den Bedingungen des Ost-West-Konfliktes im Bündnis sowohl den Schutz der DDR als auch einen Beitrag der DDR zum Schutz der anderen sozialistischen Staaten zu leisten und zur Sicherung des Friedens in Europa und der Welt beizutragen. (…) So in die sozialistische Militärkoalition zur Sicherung des Friedens eingebunden, ist die Mär von Absichten bzw. den Möglichkeiten zur ‚Eroberung der BRD‘ durch die NVA als böswillige Anschuldigung zurückzuweisen.“
Militärische Schwerpunkte als Vorposten des Sozialismus
Die Aufgaben zur Vorbereitung auf den Verteidigungszustand umfassten mehr als nur die Vorbereitung der Streitkräfte.
Der VTNVAGT klärt auf: Auf militärischem Gebiet ergaben sich aus der Mitgliedschaft im Warschauer Vertrag für die DDR als westlicher Vorposten des Sozialismus und entsprechend ihrer militärstrategischen Lage folgende Schwerpunkte:
Die Bereitstellung des Friedensbestandes der Nationalen Volksarmee
d.h. der Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte/Luftverteidigung, der Volksmarine und von Teilen der Grenztruppen für die Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages.
Die militärische Sicherung der Staatsgrenze der DDR zur BRD und zu Westberlin
einschließlich des pioniermäßigen Ausbaus der Grenze und der Errichtung eines militärischen Sperrgebietes.
Die Erfüllung der Aufgaben im gemeinsamen Diensthabenden System des Warschauer Vertrages
mit Teilen der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung, der Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte und mit Kräften der Volksmarine.
Die Erfüllung der Mobilmachungsverpflichtungen in einer Spannungsperiode und im Verteidigungszustand
Die Realisierung der Verpflichtungen gegenüber der in der DDR stationierten Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte
Ein sehr wichtiger Schwerpunkt war zudem die „Operative Vorbereitung des Territoriums der DDR“ als Teil eines möglichen Kriegsschauplatzes, nicht zuletzt, weil Ostdeutschland im Falle eines bewaffneten Konflikts sofort zum Frontgebiet geworden wäre.
DDR als möglicher Kriegsschauplatz
Der VTNVAGT erklärt, was es mit der Operativen Vorbereitung auf sich hatte:
Die operative Vorbereitung des Territoriums erfolgte mit dem Ziel, die Verteidigungshandlungen der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages auf dem Territorium der DDR unmittelbar vorzubereiten, und beinhaltete bauliche, materielle, technische und organisatorische Maßnahmen im Frieden zur Schaffung günstiger Voraussetzungen für die Handlungen der Vereinten Streitkräfte im Verteidigungszustand.
Die in jeder Beziehung aufwändigen Vorbereitungen umfassten: das Nachrichten- und Fernmeldewesen, das Gesundheitswesen, das Verkehrswesen, das Bauwesen, Maßnahmen zur Gewährleistung der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion und eine Reihe anderer Aufgaben.
Auf Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates wurden bereits in Friedenszeiten 801 zivile Spezialformationen gebildet und im Interesse der Vereinten Streitkräfte in Einsatzbereitschaft gehalten. Das waren: 513 für das Verkehrswesen, 168 für das Nachrichten- und Fernmeldewesen, 119 für das Gesundheitswesen mit insgesamt 72.500 Mann.
Zwei Beispiele sollen den Umfang dieser Maßnahmen verdeutlichen:
1. Vorbereitet wurden z.B. 11.500 km Hauptstraßen, d.h. 15 Ost-West-Verbindungen von der Oder zur Elbe bzw. Werra und 4 sogenannte Rochadestraßen von Nord nach Süd. Alle Brücken über Oder, Neiße, Elbe und Saale mussten dubliert werden, um die Bewegung von 20 bis 25 Divisionen innerhalb von zwei bis drei Tagen zu gewährleisten.
2. Für die medizinische Versorgung der Streitkräfte waren 180 Reserve-Lazarette mit 115.000 Betten vorzubereiten.
Im Übrigen galt für die DDR und die NVA immer die Verpflichtung: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, sondern immer nur Frieden ausgehen.“
Die Streitkräfte der DDR waren der Bundeswehr überlegen. Wahr oder falsch?
Der VTNVAGT sagt dazu, schon der Versuch, diese Frage zu beantworten wäre ein falsches Herangehen an die damalige Lage in Europa. Denn:
„In der Zeit des Kalten Krieges standen sich nicht die NVA und die Bundeswehr gegenüber, sondern die NATO unter Führung der USA auf der einen und die Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages unter Führung der Sowjetunion auf der anderen Seite. Zwischen diesen beiden Gruppierungen galt es, in Europa und darüber hinaus in der Welt im Interesse des Friedens ein Gleichgewicht der Kräfte zu sichern. Dem dienten die Wiener Verhandlungen über die Konventionellen Streitkräfte in Europa. Das Ziel war es, das Ungleichgewicht zwischen den Streitkräften des Warschauer Vertrages und der NATO abzubauen und die Obergrenzen für fünf Waffenkategorien (Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artillerie, Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber) zu bestimmen, um im Endeffekt die strukturelle Angriffsfähigkeit abzubauen oder zu begrenzen.
Hauptanliegen Kriegsverhinderung
„Die größte Truppen-Konzentration in Europa befand sich auf dem Territorium der beiden deutschen Staaten. Im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung wäre dieses Territorium von der ersten Stunde an Frontgebiet gewesen. Auch deshalb sahen wir unsere Hauptaufgabe in der Kriegsverhinderung.“
DDR-Vorstoß für mehr Vertrauen scheitert
Mit der Annahme einer neuen Militärdoktrin des Warschauer Vertrages im Jahre 1987, die als Verteidigungsdoktrin in die Geschichte einging, gab die Warschauer Verteidigungskoalition ein Beispiel für vertrauensbildende Maßnahmen.
Diese Verteidigungsdoktrin lässt sich kurz so zusammenfassen:
1 Das Hauptziel der Militärpolitik ist die Erhaltung des Friedens und die Verhinderung des Ausbruchs eines Krieges
2 Die Staaten des Warschauer Vertrages stellen keine territorialen Forderungen an andere Staaten
3 Keine Nation, kein Staat wird als Feind betrachtet
4 Die Streitkräfte des Warschauer Vertrages werden nur auf Verteidigungshandlungen ausgerichtet
5 Die Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages werden
– niemals einen Krieg beginnen
– niemals als erste Kernwaffen einzusetzen
Gleichzeitig wurde durch die Staaten des Warschauer Vertrages in Berlin beschlossen:
Die Staaten des Warschauer Vertrages bieten der NATO an, die Militärdoktrinen beider Bündnisse zu vergleichen, um Misstrauen abzubauen und Wege zur gemeinsamen Friedenssicherung zu suchen.“ Dieser Vorschlag wurde von der NATO abgelehnt.
Der VTNVAGT: „Die Armeeführung der DDR, insbesondere der damalige Verteidigungsminister Armeegeneral Heinz Keßler und der Hauptstab der NVA haben aktiv Einfluss auf den Inhalt dieser neuen strategischen Ansichten genommen. Schließlich hatten wir zur NATO, zur BRD, eine Grenze von 1378 Kilometern, und zum NATO-Stützpunkt Westberlin eine Grenze von 161 Kilometern.“
Zwei Beispiele, die zeigen, dass die neue DDR-Militärdoktrin nicht nur auf dem Papier stand, sondern auch umgesetzt wurde:
1. Bereits acht Wochen nach der Annahme der Verteidigungsdoktrin wurden auf Befehl des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates, Erich Honecker, drei Schulungsmaßnahmen unter den Bezeichnungen Meilenstein, Meisterschaft und Mosaikstein mit den Bevollmächtigten der Partei- und Staatsführung und ihren Mitarbeitern, den Vorsitzenden der Bezirkseinsatzleitungen und ihren Stäben und den Blockparteien und Massenorganisationen durchgeführt, um sie auf die sich aus der Verteidigungsdoktrin ergebenden Aufgaben für die Landesverteidigung vorzubereiten.
2. Am 21. Januar 1989 fasste der Nationale Verteidigungsrat der DDR den Beschluss,
die NVA um 10.000 Mann zu verringern; sechs Panzerregimenter aufzulösen; 600 Panzer zu reduzieren; ein Fliegergeschwader aufzulösen und 50 Kampfflugzeuge außer Dienst zu stellen; die Verteidigungsausgaben um 10 Prozent zu reduzieren; die Reduzierungsmaßnahmen bis Ende 1990 abzuschließen und die Struktur der NVA auf einen noch strikteren Verteidigungscharakter umzugestalten.
„Deutschland wäre von der ersten Stunde an Frontgebiet gewesen“
Am 10. und 11. Juni 1989 hat SED-Politiker Egon Krenz gemeinsam mit dem Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung und Chef des Hauptstabes der NVA, Generaloberst Streletz, auf Einladung von Oskar Lafontaine in Saarbrücken der Führungsspitze der SPD die neue Verteidigungsdoktrin des Warschauer Vertrages und die einseitigen Abrüstungsmaßnahmen der DDR vom 21. Januar 1989 erläutert.
Die Ausführungen des Chefs des Hauptstabes fanden breite Zustimmung der SPD-Politiker. Zwei Jahre später wurde er verhaftet und im Honecker-Prozess von der bundesdeutschen Justiz verurteilt.
Die NVA wäre in der Lage gewesen, die Bundesrepublik zu erobern. Wahr oder falsch?
Der frühere NVA-Stabsoffizier Siegfried Lautsch hatte in seinem Buch „Kriegsschauplatz Deutschland“ behauptet, die Streitkräfte der DDR hätten in den 1980er Jahren auch eine Offensive nach Niedersachsen und bis in die Niederlande geplant. War die NVA wirklich so stark?
Der VTNVAGT: „Es war nie der Auftrag der NVA, die BRD zu erobern! In der Verfassung der DDR hieß es im Artikel 7 unter anderem: Die Nationale Volksarmee und die anderen Organe der Landesverteidigung schützen die sozialistischen Errungenschaften des Volkes gegen alle Angriffe von außen. Und weiter im Artikel 8, Absatz 2: „Die Deutsche Demokratische Republik wird niemals einen Eroberungskrieg unternehmen oder ihre Streitkräfte gegen die Freiheit eines anderen Volkes einsetzen.“
„Es war nie der Auftrag der NVA, die BRD zu erobern“
Der VTNVAGT: Weil die NVA von Anfang an als Koalitionsarmee aufgebaut wurde und folglich auch im Falle eines Krieges im Koalitionsbestand handeln würde, oblag die Planung dafür dem Generalstab der Streitkräfte der UdSSR und dem Stab der Westfront (GSSD) in deren Bestand die NVA gehandelt hätte.
Ein zuverlässiger Schutz der DDR, wie im Artikel 7 gefordert, war nur im Verbund des Warschauer Vertrages möglich.
„Es wird in diesem Zusammenhang gern übersehen, dass es nicht nur galt, die Grenze zwischen zwei souveränen deutschen Staaten zuverlässig zu schützen, sondern dass es sich um die Trennlinie zweier Weltsysteme handelte, die im Ergebnis des 2. Weltkrieges entstanden waren.“
Die Nato hatte keine Angriffspläne. Wahr oder falsch?
Die Nato hatte laut dem Ex-Bundeswehr-General Hanno von Kielmansegg nie Angriffspläne auf das Territorium des Warschauer Paktes gehabt: „Rechtlich und ethisch nicht und militärisch schon gar nicht.“
Der VTNVAGT kommentiert: „Da hat der Herr Ex-General wohl ein gestörtes Verhältnis zur Realität. Bereits kurz nach Kriegsende durften 120 Wehrmachtsgenerale, an der Spitze Generaloberst Halder, unter amerikanischer Obhut die militärischen Erfahrungen des 2. Weltkrieges auswerten. Der Planungsstab der US-Armee stellte 1950 in einem Dokument fest, dass die deutschen Soldaten in Westeuropa die einzigen seien, die ‚Erfahrungen im Kampf mit den Sowjets haben‘. Die Gründung der NATO und die 1955 erfolgte Aufnahme der BRD in das Bündnis erfolgten nachweislich mit der Hauptschlagrichtung Osten. Zwei Zitate aus den 1950er Jahren belegen eindeutig die vorstehende Feststellung:
Der ehemalige Bundeskanzler Konrad Adenauer 1953 (also noch vor der Aufnahme der BRD in die NATO) auf dem Bonner Markt: „Wir sprechen immer, meine Freunde, von der Wiedervereinigung. Sollten wir nicht lieber sagen, zur Befreiung des Ostens? Das ist doch die Frage, um die es sich handelt.“
Noch deutlicher wurde der seinerzeitige CSU-Vorsitzende Franz Joseph Strauß 1958 vor dem Bundestag: „Es gibt heute für die militärische Vorbereitung nur einen einzigen Fall, und das ist der Fall ‚Rot‘ und sonst kein Fall mehr auf der ganzen Welt.“
Und natürlich erfolgten die militärischen Planungen mit dem politischen Ziel des „roll back“. Anderes anzunehmen wäre blauäugig und widerspricht auch vielfältigen Aufklärungsergebnissen sozialistischer Kundschafter in den verschiedensten NATO-Gremien.“
Die deutsche Wiedervereinigung, die Auflösung der NVA und der Abzug der russischen Streitkräfte haben zu einer Demilitarisierung Deutschlands und Europas geführt. Wahr oder falsch?
Der VTNVAGT kommentiert: Die deutsche Wiedervereinigung war eine große Chance zur Demilitarisierung und der Installation einer stabilen Friedensordnung in Europa, wenn man es denn ehrlich gemeint hätte! Die Füße wurden so lang ruhig gehalten, bis die Westgruppe der sowjetischen/russischen Streitkräfte nach Russland zurückgeführt war. War hier nur Naivität der sowjetisch/russischen Seite im Spiel? Fragen bleiben auf jeden Fall. Gleichzeitig wurde der KSE-Vertrag über die Reduzierung der Streitkräfte in Europa genutzt, den Beitrag der Bundesrepublik Deutschland vor allem durch die Liquidierung der NVA zu erbringen. Der weitere Werdegang ist bekannt.
„Militärpolitische Situation 2018 weitaus gefährlicher als 1990“
Zusicherungen, dass es keine Osterweiterung der NATO gäbe, waren plötzlich obsolet. Man konnte sich daran nicht mehr erinnern, oder sie wurden mit dem Argument, mit dem Verschwinden der Sowjetunion sei auch der Verhandlungspartner weggefallen, beiseitegeschoben. Die Osterweiterung der NATO kam, mit all den verhängnisvollen Folgen, die in diesen Tagen zu beobachten sind.
Die militärpolitische Situation ist 2018 im Vergleich zu 1990 weitaus angespannter und gefährlicher. Von der Erkenntnis, dass es Sicherheit in Europa nur mit Russland geben kann, sind europäische verantwortliche Politiker noch weit entfernt. Dass Kräfte in Übersee an einer stabilen europäischen Friedensordnung nicht interessiert sind, steht auf einem anderen Blatt.

de.sputniknews.com: Warum Ex-DDR-Soldaten der Bundesrepublik keine Treue schwören wollten
Die Nationale Volksarmee wäre am 1. März 62 Jahre alt geworden. Die Streitkräfte der DDR existieren seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr, doch Legenden leben weiter. Die einstige Vorhut des Warschauer Pakts wird heute gern als aggressiv dargestellt, die Nato hingegen als friedfertig. Sputnik versucht zu klären, was davon Mythos und was Wahrheit ist…
In diesem zweiten Teil wollen wir zeigen, wie das Ende der NVA und die Entstehung der „Einheitsarmee“ von damaligen Soldaten der DDR empfunden und erlebt wurden.
Warum hat sich die Mehrheit von ihnen der Übernahme durch die Bundeswehr verweigert? Was wurde aus den Zehntausenden Entlassenen? Waren die Übernahmebedingungen menschenwürdig? Was wurde aus den Tausenden Panzern, Flugzeugen und Raketen der NVA? Warum wurden mit ihnen nach der Wende Menschen umgebracht? War die Ahndung der gesamten DDR-Militärführung durch bundesdeutsche Gerichte ein Sieg der Justiz oder eine Siegerjustiz?
Auf der Suche nach Antworten hat sich Sputnik mit dem Verband zur Pflege der Traditionen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR e.V. (kurz: VTNVAGT) in Verbindung gesetzt. Der stellvertretende Vorstandschef, Oberst a.D. Friedemann Munkelt,
und der Leiter der Geschäftsstelle, Kapitän zur See a.D. Gerhard Matthes, stellen die Sicht ihres Verbandes vor und helfen, mit verbreiteten Irrtümern aufzuräumen.
Wurde aus NVA und Bundeswehr eine Armee der Einheit“?
Schon unter der letzten DDR-Regierung hatte eine Reduzierung der Nationalen Volksarmee begonnen. Im März 1990 betrug die Stärke der NVA noch 135.000 Mann, im Oktober 1990, beim Anschluss der DDR, lag sie bei 89.000 Mann, darunter 50.000 Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit.
Der VTNVAGT dazu: „Zielstrebig wurden die erfahrenen Führungskräfte entfernt, den Berufs- und Zeitsoldaten die Möglichkeit angeboten, die Entlassung zu beantragen, und es wurden bis zum 30.09.1990 alle Generale und Admirale entlassen.
Am 3. Oktober 1990 wurde die NVA praktisch aufgelöst. Über diesen Vorgang schrieb Egon Bahr, SPD-Politiker, führender Mitarbeiter von Willy Brandt und Mitgestalter der sogenannten neuen Ostpolitik, der vom 1. Juli bis 2. Oktober 1990 Berater beim DDR-Abrüstungsminister Rainer Eppelmann war:
„Zur Geschichte der NVA gehört, dass sie lange vor der Wende, wozu damals noch Mut gehörte, der politischen Führung der DDR klarmachte, dass sie sich nicht gegen das Volk einsetzen lassen würde. (…) Es war der Stolz einer Armee, sich geordnet und diszipliniert einzubringen oder zu übergeben oder sich aufzulösen, jedenfalls ihre Geschichte zu beenden. Es ist zweifelhaft, ob das auch so ruhig verlaufen wäre, wenn den Betroffenen in vollem Umfang die Konsequenzen der Regelungen klar gewesen wären, die die westdeutsche Seite am 12. September vorlegte und die im Wesentlichen nur noch angenommen und durch den Minister (Eppelmann), der sich immer noch als verantwortlich bezeichnete, verkündet werden konnten.
Von da an wurde nur noch umgesetzt, abgewickelt, aufgelöst, übergeben. Drei Wochen später, am 3. Oktober, verweigerte die westdeutsche Seite der ostdeutschen den symbolischen Akt der Würde, die alte Fahne einzuholen, die neue zu hissen, den Einschnitt durch das Abspielen der alten und der neuen Hymne zu markieren.“
Würdelos behandelt
„Schon aus dieser Schilderung geht hervor, dass die „Armee der Einheit“ eine Irreführung der Massen ist. Die würdelose Behandlung der Soldaten der NVA ging in diesem Sinne weiter“, sagt der VTNVAGT.
Alle Soldaten der NVA, die am 3. Oktober 1990 noch im Dienst waren, wurden als sogenannte Weiterverwender geführt, die zwar ihre Pflichten zu erfüllen hatten, aber nicht als Angehörige der Bundeswehr zählten und somit auch nicht die Rechte eines Soldaten der Bundeswehr bekamen. Soldaten der NVA, auch Berufssoldaten, die in der Bundeswehr dienen wollten, mussten sich zunächst als Soldaten auf Zeit bewerben. Sie wurden nach Übernahme in der Regel um einen Dienstgrad herabgesetzt und erhielten eine Zusage für zwei Jahre. Danach konnten sie sich als Berufssoldaten bewerben.
Die überwiegende Mehrheit der Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit wurden entlassen.
Seitenwechsel unvorstellbar
Im Oktober 1990 zählte die NVA noch 89.000 Mann. Nach Angaben des VTNVAGT bewarben sich nur 12.000 Offiziere, 12.000 Unteroffiziere und 1000 Mannschaftsdienstgrade bei der Bundeswehr. Übernommen wurden insgesamt 18.000 ehemalige NVA-Soldaten, davon 6000 Offiziere, 11.200 Unteroffiziere und 800 Mannschaftsdienstgrade. Im Jahre 1994 waren davon noch 8513 Mann und im Jahre 2005 noch 3674 Mann im Dienst.
Die Mehrheit der NVA-Berufssoldaten hat sich jedoch nicht beworben. Den Hauptgrund sieht der VTNVAGT darin, dass sie ihrem Fahneneid treu bleiben und nicht beim ehemaligen Gegner dienen wollten.
„Auch die Aussicht, bei der Übernahme im Dienstgrad herabgesetzt zu werden, wurde als Diskriminierung empfunden. Für viele war die Überprüfung durch den Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr ein Hindernis. Für Soldaten mit hohem Dienstgrad wie Oberstleutnant und Oberst war die Chance für die Übernahme ohnehin gering.“
Oberst Friedemann Munkelt war unter jenen, die sich nicht übernehmen lassen wollten. Der nun 72-Jährige erinnert sich:
„Ich habe im November meine Entlassung beantragt. Es war für mich nicht vorstellbar, die Seiten zu wechseln‘. Dazu war ich zu sehr aus Überzeugung Offizier, war doch die NVA völlig anders ausgerichtet als die Bundeswehr. Spätestens mit der Beteiligung der Bundeswehr an der Aggression gegen Jugoslawien wurde dies auch für jedermann sichtbar. Natürlich war die Entscheidung der DDR-Bevölkerung 1990 zu akzeptieren, aber mehr auch nicht.“
Das Leben danach
Die über 50-Jährigen konnten nach der NVA-Auflösung die sogenannte „Befristete erweiterte Versorgung“ in Anspruch nehmen, wenn sie keine Arbeit im zivilen Bereich fanden. Sie orientierte sich an der Höhe des Rentenanspruchs, war jedoch geringer und wurde maximal bis zur Erreichung des Rentenalters gezahlt.
Es gibt keine verlässlichen Angaben, womit die aus dem Militärdienst entlassenen ehemaligen Angehörigen der NVA ihren Lebensunterhalt verdienten. Einige wurden arbeitslos, andere wurden Versicherungsvertreter, Mitarbeiter im Wachdienst oder im Munitionsbergungsdienst. Viele konnten im ehemals erlernten Beruf tätig werden oder gründeten ein Unternehmen. Der VTNVAGT kommentiert:
„Bis heute, 27 Jahre nach dem Anschluss der DDR an die BRD, ist die Bundesregierung nicht gewillt, anzuerkennen, dass die Soldaten der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR durch ihren Einsatz und ihre Leistungen einen Beitrag zur Sicherung des Friedens in Europa und in der Welt leisteten. Im Gegenteil, nach wie vor werden die ehemaligen Soldaten der NVA als Waffenträger einer Diktatur und als Angehörige einer Parteiarmee diffamiert.“
Ebenso werden Verantwortungsträger wie der ehemalige Minister für Nationale Verteidigung Admiral Hoffmann und die ehemaligen Stellvertreter des Ministers und Chefs des Hauptstabes Generaloberst Streletz und Generalleutnant Grätz sowie weitere Generale und Admirale mit Strafrenten belegt.
„Diese Strafrente wirkt sich so aus, dass zum Beispiel ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr ein monatliches Ruhegehalt erhält, dass über 200 € höher ist als das eines Generaloberst der NVA nach weit über 40 Dienstjahren.“
Ahndung durch den ehemaligen Gegner
Einmalig in der deutschen Militärgeschichte ist die Tatsache, dass eine ganze Armeeführung vor Gericht gestellt wurde.
Nach dem Anschluss der DDR wurden der Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Keßler, und der Stellvertreter des Ministers und Chef des Hauptstabes, Generaloberst Streletz, über Nacht verhaftet. Nach zwei Jahren Untersuchungshaft wurden sie im sogenannten Honecker-Prozess nach 68 Verhandlungstagen wegen „Anstiftung zum Totschlag“ zu siebeneinhalb Jahren Haft (Armeegeneral Keßler) beziehungsweise fünfeinhalb Jahren Haft (Generaloberst Streletz) verurteilt.
Das waren Gerichtsverfahren wegen der tödlichen Schüsse und des angeblichen „Schießbefehls“ an der Berliner Mauer und während der deutschen Teilung. Schätzungen zufolge gab es von 1961 bis 1989 an der Berliner Mauer mehr als 100 Todesfälle infolge von Waffenanwendung durch DDR-Soldaten oder durch Unfälle. Bei einem Großteil der Opfer handelt es sich um DDR-Flüchtlinge.
Dass ehemalige DDR-Bürger durch bundesdeutsche Gerichte verurteilt wurden, weil sie auf der Grundlage des Gesetzes ihres damaligen Landes gehandelt hatten, gilt bis jetzt als sehr umstritten.
Nach Angaben der ehemaligen NVA-Offiziere haben die Verurteilten gegen kein einziges Gesetz der DDR verstoßen. Auch einen „Schießbefehl“ habe es nie gegeben. Der VTNVAGT argumentiert:
1 Die Grenze zwischen der DDR und der BRD sowie zu Westberlin war keine innerdeutsche Grenze, sondern eine Grenze zwischen den Staaten des Warschauer Vertrages und der NATO, eine Grenze zwischen den beiden sich feindlich gegenüberstehenden Weltsystemen.
2 Die Schließung der Grenze zur BRD und zu Westberlin erfolgte auf Beschluss des Politischen Beratenden Ausschusses des Warschauer Vertrages.
Diese Maßnahmen waren 1961 politisch und militärisch im Interesse der Sicherung des Friedens notwendig. Die Festlegung eines Grenzregimes und der Ausbau der Grenzsicherungsanlagen wurden in einem Schreiben von Marschall der Sowjetunion Iwan Konew im Auftrage der sowjetischen Partei- und Staatsführung an den Verteidigungsminister der DDR, Armeegeneral Hoffmann, gefordert und bis ins Detail ausgeführt.
3 Die in der Berliner Innenstadt errichtete Mauer war nur ein geringer Teil der errichteten Grenzsicherungsanlagen zu Berlin-West und zur BRD.
Es gab in der DDR keinen Schießbefehl, sondern eine Ordnung für die Staatsgrenze auf gesetzlicher Grundlage, die von den Grenzsoldaten durchzusetzen war.
4 Alle Befehle der militärischen Führung der DDR beruhten auf Gesetzen, die von der Volkskammer der DDR erlassen wurden.
Die Begriffe ‚Berliner Mauer‘ und ‚Schießbefehl‘ waren und sind heute noch politische Kampfbegriffe zur Diskreditierung der DDR.
Die vor Gericht gestellte Führung der NVA handelte nach den in ihrem Staat, den sie zu schützen hatten, gültigen Gesetzen. Aber in der damaligen politischen Situation gab es aber keine Chance auf ein faires Verfahren.“
In zwei „Kollegiums-Prozessen“ wurden insgesamt 16 Generale und Admirale vor Gericht gestellt und davon zehn Generale verurteilt.
Es gab nie einen Schießbefehl
Der VTNVAGT kommentiert dies so: „Die Strafverbüßung war dabei nur eine Seite der Verurteilung. Viel schlimmer für die Verurteilten waren die auferlegten Gerichtskosten, die für jeden je Prozesstag 1000 DM plus Nebenkosten betrugen. Im Ergebnis hatten die Verurteilten 102.000 bis 111.000 DM zu zahlen.“
Wie die Behandlung der Armeeführung in der U-Haft war, zeigt die Abschrift eines Schreibens des Vorsitzenden Richters am Landgericht Berlin an die JVA Moabit, in dem es um Hafterleichterungen für den Ex-Hauptstabschef Fritz Streletz geht.
Demnach soll der Inhaftierte erst nach 14 Monaten Untersuchungshaft einen Haftraum mit Stromversorgung erhalten, ihm soll – nach Möglichkeit – erlaubt werden, ein bis zwei Mal im Monat mit seiner Ehefrau zu telefonieren und eine zweite Freistunde (Hofgang) gewährt zu bekommen.
Was wurde aus den Waffenbeständen der NVA?
Die NVA war in der Nachwendezeit – sowohl unter der Modrow-Regierung als auch unter der folgenden mit dem Minister für Abrüstung und Verteidigung Rainer Eppelmann – umfangreichen Reduzierungsprozessen unterworfen. Im September 1990 betrug die personelle Auffüllung laut Übergabeprotokoll beim Wechsel des Chefs der Landstreitkräfte (17.09.90) 57,3% (56.035 Mann), teilt der VTNVAGT mit.
Im gleichen Protokoll wird noch folgender Bestand an Kampftechnik und Bewaffnung aufgeführt:
23 Startrampen taktischer Raketen (Totschka und Luna M)
2195 Panzer (T-72; T-72 M; T-55AM2B; T-55)
1105 Schützenpanzer (BMP 1 und BMP 2)
2115 Artilleriesysteme (SFL „AKAZIA“ und „GWOSDIKA“; 130 mm-Kanone; 152mm-Kanonen-Haubitze; 122mm-Haubitze; Geschosswerfer BM 24 u.a.)
704 Panzerabwehrmittel (Konkurs, Maljutka, METIS, Fagott u.a.)
1894 Fla-Raketensysteme und andere Fla-Mittel, davon 175 Fla-Raketenkomplexe „OSA“, „KUB“, „KRUG“
50.545 Kraftfahrzeuge verschiedener Zweckbestimmung
123 Hubschrauber (Mi-24; Mi-8TB; Mi-8; Mi-2)
Ein Teil sensibler Führungstechnik wurde an die sowjetische Seite zurückgegeben. Zeitweilig wurden von der Bundeswehr 24 Flugzeuge MiG-29 (sie wurden nach der Ausmusterung bei der Bundeswehr an Polen verschenkt) und andere Flugzeuge und Geschützsysteme sowie einige Schiffe, allerdings in unbedeutender Größenordnung, genutzt.
Wurde durch die DDR Ende der 1980er Jahre Militärtechnik vertragsgemäß, teilweise einseitig, reduziert und verschrottet, wurde die verbliebene Technik und Ausrüstung der NVA durch verschiedene sogenannte Verwertungsgesellschaften des Bundes einer weiteren militärischen Nutzung zugeführt.
Spuren nach Irak und auf den Balkan
Mit dieser Technik wurden auch die NATO-Partner USA, Frankreich, Großbritannien, Griechenland und die Türkei beliefert.
So gingen zum Beispiel 97 Panzer T-72/T-55, 34 BMP, 18 SPW, 14 MiG-23, 5 SU-22, ein Kleines Raketenschiff Projekt 1241, der Küstenraketenkomplex Rubesh und andere Technik zu Übungszwecken an die USA überführt. Darüber hinaus erhielten die USA umfangreiche Lieferungen an Sicherstellungstechnik (z.B. 678 schwere Lkw, 189 Schwerlastanhänger, 255 Hänger mit Kühlanlagen, 604 Lkw mit Duschanlagen, 47 Sankra und vieles mehr). Diese Technik kam im Zweiten Golfkrieg zum Einsatz.
Aber auch Nichtmitglieder der NATO wurden reichlich bedacht. Der VTNVAGT:
„In den Konflikten der 90er Jahre, zum Beispiel auf dem Balkan, konnte das militärisch geübte Auge in großer Zahl Technik und Ausrüstung aus NVA-Beständen erkennen.“
Ein großer Teil der Schiffe der Volksmarine wurde nach entsprechender Umrüstung an Indonesien verkauft. Die Bewertung dieser „Geschäfte“ bleibt im Auge des Betrachters, zur Zeit ihrer Abwicklung blieben sie weitgehend unbekannt bzw. unbeachtet.

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Ein Gedanke zu “Sonderthema: Tag der NVA vom 01.03.2018

  1. Die Frage des Abzugs der sowjetischen Streitkräfte und die Demilitarisierung Deutschlands als eine Chance hinzustellen ist eine wirklichkeitsfremde und geschichtsverleugnende Behauptung. Tatsächlich handelte es sich nicht um eine deutsche „Wiedervereinigung“, sondern um eine Konterrevolution, die ausgehend von der Zerstörung der UdSSR nach der Ermordung Stalins und der Auflösung des Warschauer Vertrages und nach Abzug der sowjetischen Streitkräfte zur feindlichen Übernahme der DDR führte. Daran hatten auch DDR-Politiker wie Krenz und Modrow sowie einzelne NVA-Kader und der ehemalige Leiter der HVA Wolf mitgewirkt. Der sowjetischen Führung hier Naivität zu unterstellen, entspricht nicht den Tatsachen.

    Was nach dem Ende der DDR geschah hat mit Rechtsstaatlichkeit nicht das geringste zu tun. Es ist eine Abrechnung der Konterrevolution und des Imperialismus mit dem einstigen politischen und militärischen Gegner. Das immerhin (nach Angaben des VTNVAGT) 12.000 Offiziere der NVA der Armee eines imperialistischen Staates beitraten zeugt nicht nur voon einer Führungsschwäche innerhalb der NVA, sondern ist auch vergleichbar mit den Ratten, die als erste das sinkende Schiff verlassen.

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