Kommunisten und die Ukraine

Teil1: Der linke „Euromaidan“

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Ich wurde schon länger gebeten, dieses Material zu schreiben.

Schreiben kann man es auf verschiedene Weise. Man kann Tränen vergießen und Leistungen loben, die Augen schließen, um Mängel nicht zu sehen, oder umgekehrt das Schwert schwingen und alles stigmatisieren. Ich schreibe es so, wie es ist – das Gute wie das Schlechte. Dies wird eine Serie von Artikeln, die schrittweise entsteht. Dies ist der erste Teil.

„Linke für den Euromaidan“

Es ist kein Geheimnis, dass mit dem Beginn der Ereignisse in der Ukraine die russischen und ukrainischen Linken sehr schnell geteilter Meinung über die Unterstützung/ Nichtunterstützung des „Euromaidan“ waren. Eine bestimmte Gruppe von Leuten verkündete offen, dass der „Euromaidan“ eine progressive Rolle spiele, weil er mit der Korruption und Oligarchenmacht breche und eine Volksherrschaft installiere. Unter ihnen waren Anarchisten, Pazifisten, linke Intellektuelle und einige Trotzkisten.

Sie unterstützten offen das Geschehen und erklärten, dass es weder Faschismus in der Ukraine gäbe noch die Oligarchen oder der amerikanische Imperialismus die Vorgänge initiiert hätten. Es seien nur ehrliche Menschen, die eine echte Demokratie aufbauen und gegen die Macht des Großkapitals kämpfen wollten.
Das war eine lautstarke Minderheit, eben die, die schon die gleichen Argumente im Vorfeld des syrischen und des libyschen Krieges gebracht hatten und die die Regimes Assads und Ghaddafis faschistisch nannten und die „Revolutionen“ gegen sie demokratisch, .Es wurde behauptet, dass der Sturz der „Militäraristokratie“ oder des „falschen grünen Sozialismus“ in diesen Ländern bürgerlich-demokratische Regimes etabliere, unter denen es für die linken und kommunistischen Parteien leichter sein würde, für die Schaffung einer echten kommunistischen Volksherrschaft im Einklang mit den Grundsätzen der Klassiker zu kämpfen.
Als am Ende ein blutiges Chaos übrig blieb, in dem es keine Entwicklung nach links gab und auch keine bürgerlich-demokratische Ausrichtung entstanden war, vergaßen sie schnell jene armen Länder, die vom Weltimperialismus absichtlich zerstört worden waren. Zehntausende von Toten und Zustände, in denen Bärtige mit dem Koran in der Hand die Macht haben – das war eindeutig kein Ergebnis, das nach der demokratischen Befreiung des Nahen Ostens vom Joch tyrannischer Autokraten aussah.

Charakteristisch ist die Geschichte mit Ägypten, wo die russischen „Linke für den Euromaidan“, die den Tahir unterstützten, vollständig daneben lagen. Zum Beginn der Proteste gegen Mubarak wurde der Tahir als eine Möglichkeit begrüßt, sich von der Militärregierung zu befreien. Das alte Regime wurde gestürzt und zuerst durch eine bürgerliche Macht ersetzt, die sich am Vorbild der USA orientierte. Im Land wurden Beschränkungen der Zensur abgeschafft, eine Anzahl von Parteien zugelassen und scheinbar Voraussetzungen für die Entwicklung sozialistischer Ideen geschaffen. In Wirklichkeit blieb davon nichts nach den bürgerlich-demokratischen Wahlen, die die kürzlich wieder verbotene „Muslim-Bruderschaft“ gewann – eine fundamentalistisch-religiöse Organisation, die unter Mubarak sehr viel heftiger verfolgt wurde als Linke und Kommunisten. Die Unterstützer des Tahir ließen sich nicht entmutigen und erzählten Geschichten über die progressive Rolle des Tahir und darüber, wie Anhänger der Linken das islamistische Regime in Alexandria untergruben und dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die progressive Rolle des Tahir deutlich geworden sei. Wie es endete, ist bekannt.
Die Muslimbrüder begannen, sich der Kontrolle des amerikanischen Imperialismus zu entziehen. Und so wurde den gleichen Militärs, die erst auf dem Tahir gestürzt worden waren, nun erlaubt, ein Blutbad in Kairo anzurichten, um die Muslimbruderschaft zu zerstören. Das Ergebnis in Ägypten ist nun wieder die gleiche militärische Autokratie, Anhänger der Linken sind nicht zu sehen – so dass unverständlich bleibt, worin denn nun der Sinn des Tahir beim Wechsel von Mubarak zu Al-Sissi besteht.

Am Beispiel von Ägypten, Syrien und Libyen sehen wir, wie leicht einige Linke echte Volksaufstände und Rebellionen mit von den Imperialisten angezettelten Aufständen verwechseln, die den Machtwechsel von einem Autokraten zu einem anderen zum Ziel haben. In all diesen Ländern hat sich die Lage der Arbeiterklasse als Folge dieser „Volksrevolutionen“ deutlich verschlechtert und es gibt keinerlei Perspektive für eine Verbesserung. Es gibt dort ebenso wenig eine Aussicht auf eine sozialistische Entwicklung, wie in einer Militärdiktatur oder unter dem islamischen Fundamentalismus. Es besteht eine katastrophale Diskrepanz zwischen den Vorhersagen und der Realität. Glauben Sie, es wurden daraus Schlussfolgerungen gezogen? Mitnichten.

Es scheint, als ob das erste oder zweite Mal hätte genügen müssen, um zu begreifen, dass etwas Grundsätzliches korrigiert werden muss. Aber nein, mit dem Beginn der Ereignisse in der Ukraine sieht man wieder dasselbe. Diejenigen, die gegen den „Euromaidan“ sind, werden als Komplizen des russischen Imperialismus, Anhänger des verbrecherischen Regimes Janukowitschs, Anhänger der Opportunisten aus der KPU, Imperialisten usw. bezeichnet.
Wieder, mit der Hartnäckigkeit eines bewährten Mittels, wurde der offensichtlich künstliche Protest, organisiert mit Geldern ukrainischer Oligarchen und des Weltimperialismus, für einen echten Volksaufstand ausgegeben – die Maidaner hätten sich von allein versammelt, dort sähe man nur man nette Menschen, alle wären für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit – die Berkut-Einheiten wären Faschisten und die Faschisten Freiheitskämpfer. Alle Übergriffe zählten nicht.

Sie waren aufrichtig zornig auf diejenigen, die sagten, dass der „Euromaidan“ für die Ukraine nichts Gutes bedeutet; sie waren wirklich froh, als der Staatsstreich stattgefunden hatte, den sie als Sieg der erstrebten Ideale ansahen.

Und der „Euromaidan“ gewann. Und natürlich, wie schon früher, zeigte sich, nachdem sich die Verwirrung gelegt hatte, dass die Macht einfach durch eine andere Oligarchengruppe übernommen worden war, mit Unterstützung faschistischer Kader, die einen entschiedenen Kampf gegen kommunistische Ideologie, die sowjetische Geschichte und kommunistische Organisationen führten. An einem gewissen Punkt realisierten die linken Intellektuellen und Nihilisten, dass sie vor einem Scherbenhaufen standen. Dass dies nichts mit einer kommunistischen Bewegung zu tun hatte, zeigte das Ergebnis besser als dies mit Worten möglich wäre. Sie saßen in einem Boot mit den Nazis. Sie haben einen politischen Selbstmord begangen, von dem sich reinzuwaschen unmöglich scheint. Dies ist von Syrien und Libyen nicht weit entfernt. Hier zeigt sich ihre ideologische Nähe zum faschistischen Regime (in voller Übereinstimmung mit Dimitrow) vor dem Hintergrund der Umwandlung eines Bürgerwiderstands in einen faschistischen Putsch.

Sie verstanden nicht sofort, in welche Falle sie getappt waren. Als nun die Macht in der Ukraine nicht mehr nur in den Händen von Marionetten der großen Kapitalisten, sondern in den Händen der größten Kapitalisten lag, stellte sich heraus, dass diese Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte die reichsten Ukrainer, Dollarmilliardäre und Sponsoren faschistischer Truppen, an die Macht gebracht hatten. Großartig, diese „Linken“, die den Putsch zugunsten solcher Personen unterstützten.

Nun waren da Slawjansk, Odessa und Mariupol, wo der Faschismus bereits eine offene Stufe erreicht hatte – offen Menschen tötend, Kommunisten eingeschlossen. Der vorhergesagte Bürgerkrieg und Massen von Opfern wurden Wirklichkeit. Einige der „Linken für den Euromaidan“ waren entsetzt, weil sie erkannten, dass sie diesmal ihr Wahn nicht dorthin gebracht hatte, wo sie hin wollten. Diese Leute verschwanden recht schnell aus der öffentlichen Debatte und schämten sich für ihren Irrtum vor denen, die sie erst kürzlich heftig angegriffen hatten, weil diese dem „Euromaidan“ nicht zustimmten.

Natürlich gab es auch diejenigen, die sich ihre Fehler nicht eingestehen konnten und vollständig auf die Seite der faschistischen Diktatur wechselten, die grundlegenden Postulate des ukrainischen Faschismus übernehmend – den Kampf gegen Russland in jeder Form, den Hass auf die Sowjetunion, Hass auf den Großen Vaterländischen Krieg, Hass auf die „Steppjacken und Kartoffelkäfer“[1] Diese Linken, die in Verlaufe aufhörten, links zu sein, wechselten einfach die Seite. Einige von ihnen verwenden noch linke Rhetorik und reden ein paar linke Phrasen, im Grunde aber sprechen sie längst eine andere Sprache. Solche Metamorphosen sind nichts Neues. Zum Beispiel liebte Goebbels in seinen Jugendjahren sozialistische Ideen, mit denen er bei der Gesellschaft der Strasser-Brüder in Berührung kam. Und irgendwann, verwandelte er sich komplett in einen der überzeugtesten Nazis, der seine ehemaligen Mitstreiter verriet. Die Ähnlichkeiten im Faschismus sind deutlich – wie die Nazis in Deutschland in den frühen Stadien ihrer Tätigkeit, verwenden auch die ukrainischen Nazis in ihrer Propaganda antikapitalistische Rhetorik. Einige sehen in diesem Zusammenhang die Nazi-Exzesse als nicht so wichtig an, da es ja auch gegen die Oligarchen gehe. Aber es ist offensichtlich, dass sie – ebenso wie in Deutschland, wo die Partei das „sozialistisch“ im Namen enthielt – die treuesten Diener des Großkapitals sind.
Das Verhalten dieser Personen ist so ähnlich, wie das einiger Mitglieder der in Deutschland von den Nazis verfolgten Kommunistischen Partei, die erklärten, dass Hitlers These von der jüdisch-kommunistischen Weltverschwörung berechtigt und gut war, und es notwendig sei, die deutschen Kommunisten, die sich der „deutschen Volksrevolution“ widersetzten, in Konzentrationslager sperren und mit ihnen die Öfen der Krematorien heizen müsse,

Das Elend dieser Personen, die in der Mehrheit zufrieden sind in ihrem ganz aufrichtigen Glauben, ist, dass sie keinerlei nützliches Projekt zustande bringen. Sie haben keine klaren Vorstellungen von der Zukunft, die sie vertreten oder ausbauen könnten, sie können nie eine Partei bilden, die das Ziel verfolgt, die Macht zu erringen, sondern bestenfalls eine Gruppe, die darüber diskutiert. Die ultimative Ich-Bezogenheit und der Nihilismus, verbunden mit dem Prinzip „Hauptsache wir sind am Kampf beteiligt – dann werden wir weitersehen“, führen notwendig zu einer ideologischen Niederlage beim Versuch, sich an die Ideen des Großkapitals oder einer imperialistischen Weltrevolution zu klammern. Für den Weltimperialismus und das Großkapital sind sie bequeme Begleiter (aber keine Verbündeten) für den Aufbau von „Bürgerprotesten“ zum Sturz eines unliebsam gewordenen Autokraten. Danach werden sie nicht mehr benötigt, weil sie ihre Aufgabe in gewünschter Weise erfüllt haben, und fallen in die Bedeutungslosigkeit zurück, ohne für sich selbst Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, weshalb sie immer und immer wieder im Interesse des Kapitals missbraucht werden können, das die Ausbeutung der Werktätigen weiter verstärkt. Das charakteristische Beispiel der gegenwärtig faschistischen Ukraine zeigt einmal mehr, wie diese „Linken des Euromaidan“ zu Komplizen des Prozesses der Massenverarmung der einfachen Bevölkerung im Interesse von ein paar Reichen und der Vertreter des amerikanischen Imperialismus wurden.

Die Hoffnung darauf, dass sich unter dem Eindruck der Verwüstung bei den Massen ein Bewusstsein bilden und sie von den „Linken des Euromaidan“ geführt würden, ist noch naiver als die Hoffnung der russischen Reaktionäre darauf, dass der Hunger in der Ukraine dazu führt, dass alle Ukrainer „prorussisch“ werden. Es kommt ihnen nicht in den Sinn, dass das ukrainische Kapital mit seinen Medien nicht sich selbst, ja nicht einmal die Faschisten als Schuldige an der Situation bezeichnet, sondern die „russischen Imperialisten“ und das „schwere Erbe des kommunistischen Regimes“. Es ist die klassische Lösung interner Probleme: Je größer die Krise, desto größer ist die Notwendigkeit eines externen Feindbildes, dem man sie zuschreiben kann.
Sie scheinen Orwell nicht gelesen zu haben, der nicht über das kommunistische Regime Stalins, sondern über eine bürgerlich-faschistische Diktatur geschrieben hatte.
Eine solche Gesellschaft ist in der Ukraine entstanden und wenn jemand glaubt, dass dieses Regime ohne äußere Gewalt (wie es im Falle von Nazi-Deutschland war) oder eine innere Revolution verschwinden würde, so ist das ein gewaltiger Irrtum. Regimes, die auf offenem Terror gebaut sind, verschwinden selten von allein und um sie zu stürzen, bedarf es einer militärischen Niederlage oder einer bewaffneten Rebellion. Haben die „Linken des Euromaidan“ so etwas geplant? Im Zusammenhang mit ihrem „Parteiaufbau“ war davon nichts zu hören. Stehen sie an der Spitze des Widerstands gegen die Macht der ukrainischen Oligarchen und der Faschisten? Ich denke, die Antwort ist klar.

Aber um sie ist es nicht schade, weil so die kommunistische Bewegung von ein paar Randfiguren befreit wird, für die der Kommunismus nur eine Sammlung hochtrabender Phrasen, geschmückt mit einer roten Fahne, ist. Sie bekamen, was sie verdienten. Es ist symptomatisch, dass einige ukrainische „Antifaschisten“ im Vollrausch der Nazi-Hysterie und des Kampfes für die „Demokratie“ nun – vom Milliardär Poroschenko geführt – als Teil der faschistischen Strafbataillone kämpfen. Sozusagen für „Parlamente ohne Bolschewiki und Kommunisten“, zusammen mit dem „Gausturmführer“ Ljaschko.

Teil2: Der Preis der Fehler der KPU

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Wie verhielt sich die KPU im Verlauf dieser Krise? Die KPU nahm lange eine opportunistische Position des Kompromisses mit dem Kapital ein, die es ihr erlaubte, eine Reihe zweitrangiger sozialer Initiativen zu entwickeln; gleichzeitig aber war die KPU eine parlamentarische Stütze des Regimes von Janukowitsch. Im Gegensatz zur KPRF, die nicht über wirklichen politischen Einfluss verfügt, spielte die KPU eine wichtige Rolle. Wegen der Aufteilung der Ukraine unter den verschiedenen Oligarchen war die KPU eine Art „goldene Aktie“. ohne die die Regierungskoalition „für Janukowitsch“ nicht existieren konnte. Die Beteiligung der KPU an der Koalition sicherte ihr einige Posten und einigen Einfluss. Sie wurde gezwungenermaßen toleriert, weil die „Partei der Regionen“ ohne die KPU keine Mehrheit erhalten hätte.

Simonenko verfolgte seit 2004 eine Linie, nach der „Orange“ und „Blau“[2] im Grunde dasselbe sind. Wegen der im bürgerlich-demokratischen Wahlverfahren erreichten Stärkung der KPU, war aber eine Überwindung der „Orange-Blau“-Konstellation nicht mehr beabsichtigt. Gleichzeitig führte das politische Bündnis mit der „Partei der Regionen“ aber nicht nur zur Kritik von links wegen des Opportunismus und des Kompromisses mit dem Kapital , sondern auch zu Beschuldigung, für die schwierige Wirtschaftslage mit verantwortlich zu sein. Gleichzeitig hatte die Partei ein ähnliches Problem wie die KPRF: Es gab viele alte und viele junge Mitglieder, es fehlten aber Mitglieder mittleren Alters. Einerseits erwarteten alle, dass die Kommunisten als „Partei der Alten“ bald von der Bühne der Geschichte verschwinden würde, andererseits kamen in die KPU (wie auch in die KPRF) viele junge Leute, mit dem Ergebnis, dass bei aller Trägheit des zentralen Apparats. lokale Organisationen entstanden, die eine Hoffnung auf die Erneuerung der Partei aufkommen ließen. Es gab eine Veränderung, die bis vor kurzem nicht möglich schien. Hierbei spielten die Popularität Stalins und der Respekt in der Gesellschaft vor der sowjetischen Vergangenheit eine Rolle. Es ist jedoch eine Sache, neue Anhänger zu gewinnen, eine andere aber, sie zu einem Instrument des Kampfes gegen die Macht der Bourgeoisie zu machen. Die Generationslücke ist hier sehr schwer zu überbrücken, da die alt gewordene Parteiführung in der Regel sehr vorsichtig ist, während in den Basisorganisationen die Jugend Ideen und Vorschläge entwickelt, die nicht umgesetzt werden, was zum Rückzug aus der Partei in Richtung radikalerer Organisationen führt, die sich zumindest in ihren Formulierungen härter anhören, auch wenn dies nicht zu Taten führt. Im Zusammenhang mit diesen Problemen nahm die KPU ihren Platz in der bürgerlichen Politik ein, und bekam so einige Möglichkeiten zur Entwicklung; gleichzeitig opferte sie aber eine Reihe von Grundsätzen.

Allerdings kann man nicht sagen, dass die KPU Janukowitsch zu Munde redete. Die Partei wandte sich aktiv gegen die Zusammenarbeit mit der NATO und gegen die Präsenz der Ukraine in der WTO, gegen Russophobie und antisowjetische Politik in der Ukraine sowie gegen die, die ihre Macht missbrauchten. Die KPU ist eine der wenigen Parteien, die (im Gegensatz zu manchen anderen ukrainischen Linken) gegen den aufkommenden Faschismus Aktionen, Kundgebungen und Proteste durchführte; aber wegen der eigenen organisatorischen Schwäche war dies natürlich zu wenig, so dass sich der Faschismus in der Ukraine mit Hilfe des SBU und der Großkapitals, mit dem die KPU eine Vereinbarung geschlossen hatte, schnell ausbreiten konnte. Die Kommunistische Partei war eine der Kräfte, die den Bürgerkrieg aufzuhalten versuchte – mit dem Vorschlag eines Referendums zur Föderalisierung der Ukraine und des Umbaus des Staates. Diese Initiative wurde jedoch vom Janukowitsch-Regime bis zum Schluss abgelehnt, was die KPU letztlich unvermeidlich mit in den Abgrund riss.

Nach dem Putsch in Kiew wurden die Abgeordneten der KPU gezwungen, in der Werchnowa Rada zu verbleiben und sich somit durch ihre Teilnahme an den Sitzungen zwangsweise am Staatsstreich zu beteiligen. Diese Situation dauerte aber nur kurze Zeit. Danach besann sich die KPU auf ihren Rechtsanspruch und anstatt dieses Organ, das den faschistischen Putsch unterstützte, zu verlassen (sobald sich dazu eine Gelegenheit ergab), klammerte sie sich weiter an die bürgerliche Legitimation, in der naiven Hoffnung, dass sie verschont werden könnte. Diese kleinbürgerliche Unentschlossenheit und der Mangel an revolutionärer Konsequenz kamen die Kommunistische Partei der Ukraine teuer zu stehen. Während sie um ihre Stühle in der Werchnowa Rada rangen, verwüsteten die Faschisten Stadt- und Regionalorganisationen, zerstörten Lenin-Denkmäler, töteten Kommunisten in Odessa, Mariupol und im Donbass. Den Abschluss dieses Prozesses bildeten die Auflösung der Fraktion der KPU aufgelöst wurde, der Erlass einer Reihe antisowjetischer Gesetze zum Verbot der Parteiideologie und der „sowjetischen Okkupation“. Ein trauriges Ergebnis für die Partei, die sich selbst als Avantgarde der Arbeiterklasse und der proletarischen Massen versteht.

Ein paar von Simonenko abgegebene Erklärungen und die Verurteilung dessen, was gerade geschieht, das ist nicht das, was man von den Kommunisten erwartet, die von Natur aus die ärgsten Gegner des Faschismus sind (es ist kein Wunder, dass die Faschisten gerade mit den Kommunisten begannen). Im Ergebnis befindet sich die Partei nun im Prozess der Demontage – passiv beobachtet sie ihre eigene Zerstörung.
Aber es war nicht überall so: In Sewastopol und Lugansk beteiligten sich Kommunisten aktiver am Kampf gegen die faschistische Junta. Der Vorsitzende der Sewastopoler Kommunisten, Parchomenko, gehörte zu denen, die bei der Versammlung am 23. Februar sprachen, als der Sewastopoler Aufstand begann; und Abgeordnete der Kommunistischen Partei im Stadtrat von Sewastopol sorgten für die notwendige Anzahl der Stimmen, die erforderlich waren, um die Entscheidung über den Austritt Sewastopols aus der Ukraine anzunehmen.
In Lugansk begann der lokale Aufstand ausgehend von einer gemeinsamen Aktion der Kommunistischen Partei und der Progressiven Sozialistischen Partei, die den Widerstand gegen die Junta politisch legitimierten. Erster Volksgouverneur von Lugansk wurde der progressive Sozialist Charitonow, der erst vor kurzem aus den Folterkammern der Nazis freigekauft wurde.
Aber diese lichten Momente können natürlich das bedauerliche Schicksal der Gesamtpartei nicht umkehren. Die Reste der kommunistischen Organisationen in der Donbass-Region schlossen sich dem Widerstand des Volkes gegen die faschistische Junta an, haben aber nicht die Kraft, ihn zu führen, was für eine der bedeutendsten antifaschistischen Kräfte der Ukraine sehr wichtig wäre. Die Kommunisten der Krim und aus Sewastopol schlossen sich der Kommunistischen Partei Russlands an oder wechselten in andere Parteien.

Die KPU selbst wird natürlich komplett verboten werden (wenn das faschistische Regime Bestand hat), und die Mitglieder der Kommunistischen Partei, die tatsächlich den Faschismus in den besetzten Gebieten bekämpfen wollen, werden das im Untergrund tun müssen.
Außerdem ist das Problem in der Ukraine, dass gleichzeitig mit Krise der KPU auch die übrigen Linken nicht in der Lage waren, eine neue kommunistische Partei zu bilden (nicht nur dem Namen, sondern auch dem Wesen nach), die die von der KPU Enttäuschten in ihren Reihen aufnehmen und die Volksmassen auf ihre Seite ziehen könnte.
Die ideologische und organisatorische Unbestimmtheit der ukrainischen Linken führte logischerweise dazu, dass mit der Verschärfung der sozialökonomischen Widersprüche in der ukrainischen Gesellschaft die Popularität der KPU wieder zu steigen begann und sie bei den letzten Wahlen recht gut abschnitt – wenngleich die Leute oft für die KPU stimmten, obwohl sie um all ihre Schwächen und Probleme wussten. Aber gewählt wurde nach dem Motto: „Sie sind besser als der Rest der Blutsauger“. Tatsächlich, im Vergleich zum Rest, schien die KPU recht akzeptabel, zumindest für ihre Standpunkte zu NATO, Faschismus, Bandera und zur Völkerfreundschaft. Für sie zu stimmen war zumindest nicht so peinlich, wie es denen war, die für Juschtschenko oder Janukowitsch gestimmt hatten. Ich habe viele Freunde und Bekannte, ganz unpolitische Leute, die in den letzten Jahren begonnen haben, für die KPU zu stimmen, einfach weil sie andere Optionen bei diesen „Wahlen ohne Wahl“ nicht gesehen haben, wissend, dass es unwahrscheinlich ist, dass Simonenko über Wahlen an die Macht kommen würde – sie persönlich haben dann aber wenigstens eine Wahl getroffen, für die sie sich nicht schämen müssen.

Aber das ist nicht genug für eine Partei, die in ihrem Namen stolz das Wort „kommunistisch“ trägt.
Die Bolschewiki haben uns gelehrt, dass von Kommunisten immer mehr erwartet wird, als nur im Rahmen der bürgerlichen „Gesellschaft des Spektakels“ im Vergleich zur Bourgeoisie besser auszusehen. Aus objektiven Gründen war die KPU angesichts des faschistischen Staatsstreichs weder in der Lage, ihre Rolle als Avantgarde der Arbeiterklasse zu erfüllen, noch die als einer der Hauptorganisatoren des Widerstands gegen den Faschismus.
Damit will ich keinesfalls die Funktionäre und Mitglieder der Partei anklagen, die jetzt mit Wort und Tat im gesellschaftlichen Kampf mit dem Faschismus stehen. Ihre Worte und Taten sind ein Alibi für die Partei. Aber gleichzeitig ist es notwendig, die Ursachen des politischen Fiaskos zu verstehen, das der zentrale Apparat der KPU erlitt, der angesichts des Staatsstreichs eine sehr passive Position einnahm, wodurch die einzelnen Parteiorganisationen faktisch gezwungen waren, die Probleme allein zu lösen. In manchen Orten waren sie dazu in der Lage, anderswo nicht.
Insgesamt wird diese Krise zur Reinigung der Partei von Mitläufern beitragen und vermutlich zu ernsthaften Diskussionen in der linken und der kommunistischen Bewegung über die Notwendigkeit entweder der Bildung einer neuen kommunistischen Partei in der Ukraine oder der Reorganisation der KPU in neuer Form sowie über eine Reihe anderer Grundfragen führen. Man kann den ukrainischen Kommunisten nur viel Glück wünschen und hoffen, dass sie trotz der Härten des faschistischen Regimes und organisatorischer Probleme ihre Strukturkrise überwinden und daraus gestärkt hervorgehen.

Hier ist eine Aussage Wladimir Iljitsch Lenins über begangene Fehler angebracht:
Jedem das Seine. Aber wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben und uns nicht entmutigen lassen. Haben wir keine Angst, uns unsere Fehler einzugestehen, fürchten wir uns nicht vor mehrfachen Korrekturen – und wir werden an der Spitze stehen.

Manchem mag es scheinen, dass ich hier zu inkonsequent bin, und dass es notwendig wäre, in den schwärzesten Farben zu zeigen, was schlecht an der KPU ist und dass es gut wäre, wenn die KPU von der Bildfläche verschwände, damit eine neue Kraft ihren Platz einnehmen kann. Aber die KPU arbeitet mit den anderen linken und kommunistischen Organisationen, sie ist nur noch nicht in der Lage, angesichts des faschistischen Aufstands eine Avantgarde der Arbeiterklasse zu bilden. Deshalb wird es, bevor man wahllos auf der KPU herumtrampelt, nötig sein zu prüfen, was von den anderen linken und kommunistischen Organisationen der Ukraine zu erwarten ist.

 

Boris Alexandrowitsch Roschin (lebt und arbeitet in Sewastopol, Chefredakteur von “Stimme Sewastopols“ Voiceservas)

 

[1] Schimpfwörter für die Volksmilizen und Anhänger der Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Der „Kartoffelkäfer“ bezieht sich auf das St.-Georgs-Band (Anm. d. Übers.)

[2] „Orange“ und „Blau“ meint hier die bürgerlichen Lager um Juschtschenko und Janukowitsch (A. d. Ü.)

Ein Gedanke zu “Kommunisten und die Ukraine

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