De.sputniknews.com: Ein großer runder Tisch, zwei übergewichtige Herren zu beiden Seiten, die ohne jede Zuneigung einander anstarren – so hat die Szene der Entlassung des bisherigen Gouverneurs von Dnjepropetrowsk, Igor Kolomoiski, durch Präsident Pjotr Poroschenko auf Agenturfotos ausgesehen. Ein bisschen wie der Beginn eines Sumo-Ringkampfes sah die Szene aus.
Die Entlassung hat international Schlagzeilen gemacht. Folgen dieser Aktion lassen sich vorerst schwer abschätzen, ein Potential für die weitere Destabilisierung hat sie allerdings allemal.
Auslöser des Bruchs zwischen den beiden war ein Gesetz zur Neuregelung der Stimmmehrheiten in ukrainischen Staatstrieben. Milliardär Kolomoiski besitzt beträchtliche Anteile und Einfluss bei Ukranafta und Ukrtransnaft, die das Monopol über die Ölförderung und Ölpipelines der Ukraine besitzen. Das neue, vom IWF diktierte Gesetz hätte ihn um viel Einfluss gebracht. Um seinem Ärger Ausdruck zu verleihen, ließ er zeitweise die Zentralen beider Firmen von bewaffneten Männern besetzen.
Kolomoiski ist ein mächtiger Mann. Sein Firmenimperium umfasst neben Ölfirmen auch Fernsehsender auch die größte Bank der Ukraine, die Privatbank.
In seiner Region hat Kolomoiski wie in seinem persönlichen Königreich geherrscht. Er verfügt auch über mehrere Tausend Soldaten, die bisher gegen die Separatisten im Donbass gekämpft haben.
Für Poroschenko kommt der Konflikt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Er ist politisch angeschlagen, seine Popularität befindet sich im Sinkflug. Sein Versprechen, den Krieg im Donbass innerhalb weniger Tage zu beenden, ist im Desaster von Debalzewo geendet.
In der Bevölkerung wächst der Unmut über seine Politik. Die Mobilisierungswellen für den Krieg im Donbass haben vielerorts zu Protesten geführt. Viele Männer im Wehrdienst fähigen Alter sind untergetaucht oder ins Ausland, vor allem nach Russland, geflohen. Der Verfall der ukrainischen Griwna verursacht zunehmende Verarmung der Bevölkerung, von der auch mittlerweile die Mittelklasse betroffen ist. Die Auflagen des IMF hatten Massenentlassungen im öffentlichen Sektor, Streichung von Sozialleistungen und einen rasanten Anstieg der Gaspreise zur Folge.
Nach einem Jahr im Amt hat Poroschenko kaum etwas getan, um die Forderungen des Maidan umzusetzen. Die Korruption grassiert immer noch, die Macht der Oligarchen ist ungebrochen. Für die Menschen in der Ukraine scheint sich das Tor nach Europa immer mehr zu schließen. Das Assoziierungsabkommen ist ausgesetzt, die Visafreiheit für Europa dieser Tage von der EU abgelehnt worden.
Auch in seiner Partei rumort es. Er hat zwar eindrucksvoll zwei Wahlen gewonnen, diese Siege täuschen aber wenig über die schmale Basis seiner Macht hinweg. Seine Partei ist ein notdürftiges Sammelbecken für Politiker, die mehr ihre Karriere im Auge haben als dass sie eine politische Vision eint. Vier Politiker, die Kolomoiski nahestehen, haben diese Woche die Fraktion verlassen.
Poroschenkos wichtigster Trumpf ist der Zugang zu ausländischen Krediten und die Unterstützung durch den Westen. Diese Abhängigkeit aber war es, die ihn in den Konflikt mit Kolomoiski getrieben hat. Das Gesetz über die Neufassung der Stimmmehrheiten ist eine Forderung des IMF gewesen.
Der Kampf gegen Korruption und die Macht der Oligarchen im politischen System der Ukraine ist sicher ein löbliches Ziel. Die Frage ist nur, ob sich Poroschenko diesen Kampf ausgerechnet jetzt leisten kann. Die politische und wirtschaftliche Krise der Ukraine ist keine gute Ausgangsbasis, um die Grundlagen ihrer bisherigen Politik über Nacht zu beseitigen.
Der Präsident hat einen wichtigen Verbündeten brüskiert und damit seine Handlungsoptionen und Machtbasis reduziert. Poroschenko braucht Kolomoiski mehr als dieser ihn, gerade weil der Oligarch bisher ein Garant für das Überleben des ukrainischen Staates war. Dessen Freiwilligenbataillone haben, oft mit brutaler Gewalt, separatistische Bewegungen eingedämmt und das nicht nur im Donbass, sondern auch in Odessa, Dnjepropetrowsk und Charkow.
Ohne Kolomoiski wäre Poroschenko nicht in der Lage gewesen, den Krieg im Donbass zu führen. Seine Ölfirmen liefern den Treibstoff für die ukrainische Armee, die von ihm finanzierten Freiwilligenbataillone haben in den letzten Monaten eine entscheidende Rolle gespielt. Anders als die reguläre ukrainische Armee, die wenig Lust hat, gegen die eigene Bevölkerung zu kämpfen, sind die Soldaten der von Kolomoiski finanzierten Bataillone hochmotiviert. Ihre Bezahlung ist weitaus besser und sie sind teilweise auch besser ausgerüstet als die ukrainische Armee. Kolomoiskis Fernsehsender sind ein wichtiger Faktor im Kampf um die Meinungshoheit im Konflikt.
Kolomoiski hatte viele Trümpfe in der Hand und er ist nicht die Art von Mann, der sich eine Demütigung wie die durch Poroschenko ohne Widerstand gefallen lassen wird. Er wird sich auf die Suche nach neuen Verbündeten machen. Er ist dabei weder an politische Lager noch herkömmliche Freund-Feind-Schemata gebunden.
Unterstützung kann Kolomoiski nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Ausland finden. Mit der Unterzeichnung von Minsk II hat sich Poroschenko klar auf die politische Linie von Merkel, Hollande und Obama begeben. Diese Politik wird weder von allen europäischen noch von allen amerikanischen Politikern geteilt. Die baltischen Staaten und Polen stehen für eine härtere Gangart des Westens in der Ukraine, neokonservative Politiker wie Viktoria Nuland und John McCain sowie Teile der Nato befürworten eine militärische Eskalation. Sie könnten in Kolomoiski durchaus eine Option sehen. Selbst Russland, obwohl es Kolomoiski strafrechtlich verfolgen lässt, kann seinem Konflikt mit Poroschenko durchaus etwas Vorteilhaftes abgewinnen.
Dieser Konflikt droht die Ukraine zu zerreißen. Egal, wer als Sieger erscheint oder welcher Kompromiss gefunden wird, am Ende wird ein geschwächter ukrainischer Staat stehen, schlimmstenfalls kommt es zu einem Somalia im Herzen Europas. Der Konflikt zwischen den beiden mag momentan eine weitaus größere Bedrohung sein als die durch die Separatisten im Donbass.